LERNEN - BBS Ammerland etabliert neue Unterrichtsstruktur
„Lehrer- und Schülerrollen haben sich geändert“

ROSTRUP. (AM) Seit Beginn des Schuljahres weht in den Berufsbildenden Schulen Ammerland (BBS) ein neuer Wind, wenn es um die Frage geht, wie der Unterricht gestaltet wird. Mit der Einführung von zwei neuen Schulzweigen („Berufsfachschule BFS – dual“ sowie das „Berufliche Gymnasium Technik“) hat sich der Fokus im Klassenzimmer verschoben. Stand bisher vor allem die jeweilige Lehrperson im Mittelpunkt des Geschehens, arbeiten die Schülerinnen und Schüler jetzt sehr autark oder in kleinen Gruppen, um sich Lerninhalte zu erschließen – das gilt insbesondere für die Berufsfachschule und in Teilen für das Berufliche Gymnasium Technik.
Hintergrund ist, dass der Unterricht an die Lebensrealität der Jugendlichen und jungen Erwachsenen angepasst worden ist. „Wissen ist heute immer und überall verfügbar. Deshalb liegt unser Fokus darauf, dem Nachwuchs beizubringen, Informationen gezielt zu suchen, zu bewerten und dann zu entscheiden, was relevant ist“, sagt Elin Ihnen vom Schulleitungsteam der BBS. Sich Inhalte selber zu erschließen sei in der künftigen Berufswelt, die sich stetig verändert, eine der wichtigsten Kompetenzen.
Doch wie kommt das neue Konzept an? Im Gespräch mit unserer Redaktion haben Schulleitung, Lehrer und Schüler über den neuen Schulalltag gesprochen und ihre ersten Eindrücke geschildert.
Schulleitung
„Ich bin froh, dass wir uns getraut haben, diesen ambitionierten Schritt zu gehen. Anfangs war ich sehr skeptisch, doch meine Ängste haben sich schon jetzt zerstreut“, sagt der Schulfachliche Koordinator Holger Janßen. Er habe einen deutlichen Wandel im Schulalltag erlebt. Zum einen im Kollegium, das an vielen Stellen mehr als Team arbeite und sich gegenseitig bestärke, wenn etwas nicht nach Plan laufe.
„Wir müssen alle etablierten Verfahren neu denken und entwickeln. Das ist aus schulorganisatorischer Sicht maximal herausfordernd“, sagt Elin Ihnen. Obwohl sie in den vergangenen Monaten weniger unterrichtet habe, habe sie so viel gearbeitet wie nie zuvor, um die neuen Schulzweige nach den Sommerferien starten zu können und freue sich, dass die ersten Rückmeldungen sehr positiv sind.
Lehrer
Der Umstellung ist eine lange Vorbereitungsphase vorausgegangen, die für viele Lehrer eine herausfordernde Zeit war. „Wir haben bereits im vergangenen Jahr mit den Planungen begonnen – auch in den Ferien“, berichtet Sabrina Peters. Ihre neue Rolle als Lernbegleiterin sei eine völlig andere als die klassische Lehrerrolle. Man brauche Mut, die direkte Kontrolle abzugeben und projektorientierter zu denken. Nicht jeder tue sich leicht damit. „Wir wollen aber das Beste daraus machen.“
„Viele Kollegen mussten ihr komplettes Unterrichtsmaterial neu erarbeiten, weil dieses einen deutlich stärkeren erklärenden Charakter haben muss“, schildert Guido Ridder eine weitere Herausforderung der vergangenen Monate. Das neue System sei darauf ausgelegt, dass die Schüler sich die Inhalte mit dem Material selbst erarbeiten. Das Lehrpersonal müsse deshalb noch mehr Arbeit im Vorfeld investieren.
„Viel Zeit nimmt außerdem in Anspruch, die Fachgespräch zu führen. Dabei schauen wir, wo die einzelnen Schüler stehen und geben Tipps, wie sie sich weiterentwickeln können“, beschreibt Steffen Doms. Der Kontakt sei im Vergleich zum klassischen Unterricht viel persönlicher. Man könne sich aber auch mehr Zeit für die Personen nehmen, die mehr Hilfe brauchen.
Schüler
„Ich war am Anfang skeptisch, weil ich ein ganz anderes Arbeiten gewohnt war“, sagt Joost Drake, der bereits sein Abitur gemacht hat und Tischler werden will. Für ihn sei es aber die richtige Entscheidung gewesen, an die Berufsfachschule zu gehen, denn der Unterricht und das personalisierte Lernen würden gut laufen.
Ähnlich sieht es Femke Härter. „Am Anfang war es schwer, eine Struktur zu finden und umzudenken. Mittlerweile bin ich in einer kleinen Lerngruppe, in der wir uns viel austauschen und uns gegenseitig helfen“, berichtet die Schülerin. Ihr gefalle auch, dass man sich nicht mehr vor der ganzen Klasse outen müsse, wenn man vom Lehrer gefragt werde und etwas nicht weiß. Im Gegenteil: „Die Lehrer hier sind für mich da, wenn ich etwas nicht weiß und freuen sich, wenn ich um Hilfe frage.“
Samantha Wiemken ist genau wegen der offenen Unterrichtsform an die BBS Ammerland gekommen. Sie will ihr Fachabi im Büromanagement machen und ist sich sicher, dass die Lehrer hier viel motivierter sind als sie es von früher kennt.
