Meisterschulklasse Fachrichtung Baumschule auf Studienfahrt in Belgien
Auf Studienfahrt in Belgien
Ein Dienstag im Oktober 2023 in aller Frühe um 1:30 Uhr: Eintreffen aller 10 Meisterschülerinnen und -schüler der Fachschule Gartenbau auf dem Schulgelände in Bad Zwischenahn-Rostrup zur gemeinsamen Fahrt nach Bremen. Treffpunkt dort die Flixbus-Station, und Beginn einer teils abenteuerlichen Busfahrt über Amsterdam nach Gent / Belgien. Am frühen Nachmittag wurden drei Miet-PKW abgeholt, und es ging direkt zum ersten Besichtigungstermin: Die Firma Degramec in Lochristi produziert kundenspezifische Gartenbauroboter und Automatisierungsprojekte. Dazu gehören u.a. automatisierte Ausstellroboter, Puffertische und Schneidemaschinen. Vom Vorentwurf über ein 3D-Design und der Softwareentwicklung bis zum Elektronikplan und zur Herstellung der Formteile mit eigenen CNC-Maschinen: alles aus einer Hand - sehr beeindruckend! Auch im Ammerland laufen Maschinen der Firma Degramec in einigen Baum-schulen.
Die Übernachtung während der Studienreise erfolgte in einem schlichten und damit kostgengünstigen Hotel in der wunderschönen Stadt Brügge in Ostflandern. Beim abendlichen, von Schülern gestalteten Rundgang in der von Kriegen verschonten und damit bestens erhaltenen Altstadt wurde ein exzellenter Überblick über die wichtigsten Sehenswürdigkeiten vermittelt und es konnten u.a. pittoreske Fassaden bestaunt werden.
Am nächsten Morgen trafen wir pünktlich in der Buxus-Spezialbaumschule Herplant in Beerse ein. Didier Hermans führte fachlich kompetent und sehr informativ die Besichtigung. Er leitet mit zwei Brüdern den Betrieb mit insgesamt 35 ha und 15 Festangestellten und ist speziell für die Züchtung neuer Buxus-Sorten mit dem Ziel von Krankheits-Resistenz verantwortlich. Vermarktet werden die neuen Sorten unter dem Label „Betterbuxus“.
Ein straffer Zeitplan sah das Eintreffen um 11:15 Uhr im Betrieb Plant-select vor. Kulturschwerpunkte des 1991 von den Oprins-Brüdern ge-gründeten Betriebs sind die In-Vitro-Vermehrung von Fargesia-Jungpflanzen und die weitere Kultivierung von P9 bis C2, Hydrangea macrophylla und paniculata in C3, Agapanthus, Ilex, sowie verschiedene Sorten von Gräsern bis C5. Gestartet hat der Betrieb die In-Vitro-Vermehrung von Fargesia aufgrund des Bambusblühens und das damit verbundene Bambussterben. Durch das Vermehren von gesundem und juvenilem Pflanzengewebe konnte dem Bambussterben entgegengewirkt werden. Ein weiterer Vorteil – neben der hohen Stückzahl - ist die Einheitlichkeit der Pflanzen. Anders als bei der Vermehrung durch Teilung sind alle Pflanzen gleich groß und wachsen gleich schnell. Aktuell werden 15 Fargesia-Sorten vermehrt.
In totales Staunen wurden die Gärtnermeister-Anwärterinnen und -Anwärter dann am Nachmittag in Loenhout versetzt. Der Name ist Programm: die Spezialbaumschule Solitair beeindruckte durch eine nicht aufhören wollende Vielfalt auf insgesamt 140 ha an formvollendeten Unikaten. In einem großen und auch sehr hohen Verkaufsgewächshaus werden viele Gehölze ganzjährig präsentiert. Die Tochter des Gründers, Valerie Cools, vermochte ihre Begeisterung für ungewöhnliche und charaktervolle Pflanzenschönheiten authentisch zu übertragen. Vermarktet wird nur an Wiederverkäufer wie Garten- und Landschaftsbaubetriebe, Architekten oder andere Baumschulen. Kommentar eines Schülers: „Wahnsinnig interessant, hat Inspiration gegeben!“.
Am dritten Besichtigungstag wurde mit der Baumschule Raf Goossens in Moerbeke-Waas ein Rhododendron-Jungpflanzenbetrieb angesteuert. Senior-Chef Chris Goossens (3. Generation) leitete die interessante Besichtigung. Er hat sehr offen und bereitwillig sein profundes Wissen vermittelt. Auf einer Gesamtfläche von 20 ha, darunter ca. 6 ha unter Foliengewächshäusern, werden jährlich 3 Mio. Pflanzen in P11 und P1,3 produziert. Sortimentsschwerpunkte sind Rhododendron in 200 verschiedenen Varietäten und Sorten mit 1,7 Mio produzierten Exemplaren zur Weiterkultur in anderen Baumschulen. Des Weiteren werden 400.000 Vaccinium corymbosum in 20 Sorten, 150.000 Syringa und 150.000 Azalea ver-mehrt und weiterkultiviert. Die auf Containerkulturflächen, die mit einer Lavaschicht drainiert sind, ausgestellten Pflanzen werden mit Gießwagen bewässert. Überschüssiges Gießwasser wird zunächst in Teiche zurückgeführt und nach einer Aufbereitung durch eine UV-Filteranlage in Wassertanks gespeichert. Vorteil der Bestrahlung mit UC-C-Licht ist die Keimfrei-heit des Gießwassers. Allerdings muss das Wasser möglichst innerhalb ei-ner Woche verbraucht werden, weil es anfällig für die Ausbreitung neuer Keime und Pilzsporen ist. Die Vermehrung erfolgt als Meristemvermehrung im eigenen Labor. Hierfür wird keimfreies Material aus Blättern und Trieben gewonnen und unter klinischen Vorgaben in ein eigens entwickeltes Nährmedium gegeben. Eine sehr aufwändige und kostenintensive Vermehrung, die aber äußerst effizient zu hohen Stückzahlen in einheitlicher Qualität führt.
Den Abschluss der Betriebsbesichtigungen bildete der Besuch der Containerbaumschule Willy de Nolf in Waregem. Der Familienbetrieb besteht seit 38 Jahren und produziert in drei Betriebsteilen mit insgesamt 30 ha. Sie produzieren ein breites Sortiment zur Vermarktung über den Onlineshop an Wiederverkäufer. Im Bereich des Marketings wird besonderer Wert auf die über 450 Lizenzsorten gelegt. Die Gehölze in guter Qualität werden unter den Marken „Proven Winners“, „Endless Summer“ oder auch „First Edition“ mit jeweils eigenen Töpfen und Etiketten verkauft. Für die hauseigene Marke „Noble Select“ vermarktet de Nolf die besten Pflanzen einer Gattung und bewirbt sie in Fachzeitschriften und Magazinen für Hobbygärtner.
Für die Ausbildung zu künftigen Gärtnermeisterinnen und Gärtnermeistern an der „Meisterschule im Grünen“ in Bad Zwischenahn ist die Durchführung einer viertägigen Studienfahrt zur Erweiterung des Fachwissens, der sozialen Kompetenzen und zur Förderung der Gruppenzusammengehörigkeit integraler Bestandteil. Das Hauptziel besteht darin, den jungen Menschen die herausragende Bedeutung der Baumschulwirtschaft und die Rolle der Region Flandern im europäischen Kontext zu vermitteln. Durch den Austausch internationaler Erfahrungen sollen künftige Fach- und Führungskräfte über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden gehalten werden. Die Studienfahrt wurde vom Baumschul-Fachlehrer Martin F. Dreß organisiert und geleitet. Fazit der Teilnehmenden: „Eine spannende Reise. Alle Betriebe waren es wert anzusehen, aus jedem hat man etwas mitgenommen.“